Heinrich Müller, 2012:

Über den Pfannenstiel (853 m ü. M.)

Ein Höhenzug mit bewegter Geschichte

 


Home    Kontakte und Links

Quelle:

Heimatspiegel, Juli 2012. Illustrierte Beilage im Verlag von "Zürcher Oberländer" und "Anzeiger von Uster" - Redaktion Anne Suter. Am 27. September 2012 vom Redaktor der Webseite pfannenstiel.ch übernommen und transkribiert.

 

 

Panorama vom Pfannenstiel aus. (Ansichtskarte, 1908)

 

Albin Zollinger, der Zürcher Lehrer und Schriftsteller (1895—1941), berichtet in seinem Roman "Pfannenstiel" von einem Spaziergang: "Die Stare schlugen in Schwärmen ein, die Säge der Buchfinken blinkte -‚ wonnige Welt, in der, wenn die Fahne des Windes sich umlegt, Veilchenduft von den Bördern haucht, Wasserglanz von jenseits des Berges herüberschlägt, Fata Morgana von Reben und Kähnen - und die Quelle schwillt über die Strasse als ein Schweissglanz der Wiese, gurgelt im Hahnenfuss, rennt in den Gräben, und Wolkendampf schraubt an der Sonnenlampe, dass es die Erde überschauert, das Tiefland dämmert mit Tannenwald voller Strassen, mit Fabriken in Tobeln, singt unhörbar in Bachstürzen, mit Gequak der
Moore, mit Gebell, mit Räderklang und Geröllen. Sie stiegen noch immer, trafen erratische Blöcke im Buchengestämme, traten auf Nagelfluh unter Wurzelgeflecht hinaus vor das Seeland; sie schlurften durch Waldschaum der Kuckucksblumen, zogen ihr Kielwasser durch Sauerklee, stapften im Moose, das wilde Kirschblut zündete über die Wege."

     Wir lassen die beiden Freunde ziehen und werfen einen Blick in die Vergangenheit des wunderschönen Wandergebiets am Pfannenstiel.

     Der Pfannenstiel, der sich als sanfter Höhenzug von Hombrechtikon bis nach Zürich erstreckt, war ursprünglich eine mächtige Seitenmoräne des Linth-Rhein-Gletschers aus der letzten Eiszeit. Das bezeugen zahlreiche Findlinge oder erratische Blöcke aller Dimensionen. Am häufigsten und ihrer Farbe wegen am auffälligsten sind die roten und grünen Sernifite (im Volksmund "Roter Ackerstein" genannt) und Phyllite aus dem Glarnerland. Nach der dritten und letzten Eiszeit hinterliessen die Gletscher eine einzigartig ausgehobelte Landschaft voller runder und ovaler Hügel (Drumlins), zum Beispiel das Büelholz bei Egg. Eine der vielen schönen, noch gut erhaltenen Stirnmoränen befindet sich bei Dübendorf (Dübelstein—Gfenn—Hegnau). (Quelle 1)

 

 

Namensursprung

Die meisten Leute, auch der Zürcher Historiker Leonhart von Muralt (1900—1970), bezeichnen den Abschnitt zwischen Forch und Oetwil als «Pfannenstiel» und führen seinen Namen auf die Hochwacht des 17. Jahrhunderts zurück, mit deren Pechpfanne während Kriegszeiten die Truppen alarmiert werden konnten. Erstmals erwähnt wird der Name jedoch schon im Jahr 1306. Damals tauschte Freiherr Lüthold VIII. von Regensberg Güter an den Probst von Zürich gegen Wiesland bei seiner Burg Friedberg "in Phannenstil" oberhalb Meilen. (Quelle 2). Folglich hat eher die Geländeform dem Höhenzug den eigenartigen Namen gegeben, denn vom linken Zürichseeufer oder vom Etzel aus erkennt man mit einiger Phantasie die Form eines leicht gekrümmten Pfannenstiels.

 

 

Über die Forch

Längst ist der Pfannenstiel vor allem für Städter zum Naherholungsgebiet für jede Jahreszeit geworden. Die meisten Wanderer wählen als Ausgangspunkt die Forch und im Sommer den schattigen Waldweg über die Guldener Höchi zur Hochwacht, aber auch ein 10 Kilometer langer Panoramaweg auf der Zürichseeseite hat seinen Reiz; der Verkehrs- und Verschönerungsverein Meilen hat ihn 1968 projektiert. Er führt von der Forch über den Rütihof den Waldrändern entlang zur Bushaltestelle Vorderer Pfannenstiel und ist dem Wanderwegpionier Dr. h.c. Jakob Ess gewidmet.

     Von 1836 bis 1895 verkehrte eine vierspännige Postkutsche von Zürich über die Forch nach Grüningen, und beim Restaurant Krone befand sich eine Pferdewechselstation. Zwischen 1895 und 1912 setzte man zwischen Esslingen und Zürich Kursfahrten mit holprigen Autobussen der Firma Martini u. Co., Frauenfeld, ein. Albert Heer, Lehrer in Zollikon, erinnert sich noch gut daran: «Im Winter war das Innere des Wagens angenehm geheizt, so dass man, auch wenn man nicht an die Füsse frieren wollte, Bettilasche und warme Fusssäcke unbedenklich zu Hause lassen konnte. Dennoch lässt sich leicht verschmerzen, dass sich die Autos als Vorboten eines noch besseren Verkehrs zurück ziehen mussten. Wer nämlich eine ganze Fahrt mitmachte, der verspürte beim Aussteigen in Folge des heftigen Benzingeruchs und des fortgesetzten Hin- und Herschwankens ein Unbehagen, das der Seekrankheit auf ein Haar glich.» (Quelle 3)

     Für die Strecke von Zürich nach Esslingen brauchte der Autobus 1 Stunde 20 Minuten, und eine Retourfahrt kostete 2.50. Die Forchbahn, am 27. November 1912 eingeweiht, kann heuer als S18 ihr stolzes 100-Jahr-Jubiläum feiern.

 

Letzte Postkutsche in Hinteregg, 31. Mai 1906. (Grafische Sammlung der Zentralbibliothek Zürich)

 

Autobusse vor dem "Löwen" in Esslingen. (Ansichtskarte)

 

 

Das Forchdenkmal

Das kantonale Wehrmännerdenkmal auf der Forch gestaltete der Architekt Otto Zollinger. Sein Projekt «Das Opfer», aus 95 Bewerbungen ausgewählt, zeigt eine riesige, 18 Meter hohe Flamme auf einer etwa 4 Meter hohen Stufenpyramide mit der Inschrift: «Dies Denkmal baute das Zürcher Volk als Sinnbild seiner Opfer, die der 1. Weltkrieg 1914-1918 zu des Vaterlandes Schutz forderte.» An der Einweihung vom 24. September 1922 nahmen rund 40'000 Personen teil, die der 370 Opfer gedachten.

 

 

Im Küsnachter Tobel

Die Forch ist nicht nur Ausgangspunkt für die Wanderung über den Pfannenstiel, auch das Küsnachter Tobel, wo die Wasseramsel zu Hause ist, gilt als interessanter und leichter Spaziergang. Historisch Interessierte verweilen linker Hand bei der Burgruine WuIp, die in der Chronik von Johannes Stumpf 1548 erwähnt wird: «Nun erscheinet aber noch ein Schlosz ob dem Dorff Küssznach im Wald, so man auff Guldinen oder Egk hinüber wandlet, auf der rechten seyten neben dem Weg, werden noch gesehen die gräben und verfallenen Mauren einer grossen und herrlichen bevestigung, wie wirt in den alten Zürichercronicken genannt Wuolp oder Wuorp.» Diese Burg des Freiherrn von Regensberg soll im Jahr 1268 von den Zürchern unter Rudolf von Habsburg zerstört worden sein. 

     In die Geschichte eingegangen ist auch die furchtbare Flutwelle des Küsnachter Bachs vom 8. Juli 1768. Sie zerstörte nach einem heftigen Abendgewitter die Tobelmühle und im schlafenden Dorf 15 Häuser, 8 Scheunen, 26 andere Gebäude sowie 8 steinerne und hölzerne Brücken. «Von dem Kirchhofe ward ein Theil weggerissen, Särge wurden abgedeckt, Leichname und eine Menge Todtengebeine ein Spiel der Fluten. Von den 63 Menschen (35 Erwachsene und 28 Kinder), die ihr Leben eingebüsst hatten, fanden 56 in der Tiefe des Sees ihr Grab.» (Quelle 4)

 

Burgruine Wulp im Küsnachter Tobel. (Adrian Michael, Wikipedia)

 

 

Guldenen

Auch auf Guldenen muss einmal eine Burg gestanden haben, doch ist das Geschlecht der Edelherren vom goldenen Hof früh
ausgestorben. Ulrich von Guldenen war 1356 Zunftmeister. Amts- und Standesscheiben im Landesmuseum Zürich bzw. im Schloss Grüningen enthalten auch ein Wappen von Guldenen. 1969 las man in der Zeitung Zürcher Amateurforscher seien in einem verschütteten Stollen in der Cholgrueb nordwestlich von Guldenen auf goldhaltige Pfannenstielmolasse gestossen. Ihre sensationellen Funde brachten sie in Zusammenhang mit dem Flurnamen Guldenen. Proben davon wären im Gasthof Krone auf der Forch zu besichtigen, wo auch ein Referat des damaligen Volkswirtschaftsdirektors Ernst Brugger stattfinden sollte. Ein gelungener Aprilscherz des "Anzeigers von Uster"!

     Etwas verborgen im Wald oberhalb von Guldenen befindet sich ein Findling besonderer Art. Es handelt sich um den sogenannten Grüninger Stein mit den eingemeisselten Buchstaben G, K und M (Koordinaten 692.450/239.605). Hier grenzten bis 1798 die Landvogtei Grüningen sowie die Obervogteien Küsnacht und Meilen aneinander.

 

 

Naturnetz Pfannenstiel

Das Projekt Naturnetz Pfannenstiel (NNP), 1998 von der Zürcher Planungsgruppe Pfannenstiel (ZPP) gegründet, möchte die natürliche Vielfalt der Lebensräume und ihrer Flora und Fauna aufwerten. Im Vordergrund stehen dabei Feuchtgebiete, Weiher und Hochstamm-Obstbaumanlagen. Eines der
Grossprojekte war die Vernetzung der Meilemer Waldrieder mit den ursprünglichen Riedflächen von Hinter Guldenen. Hier war vor der Trockenlegung noch Torf gestochen worden, wobei 1919 nacheiszeitliche Elchknochen zum Vorschein kamen. Im Juli 2009 begann man unter der Leitung von Agronom Winu Schüpbach, die Drainagen zu verschliessen sowie Stauschächte und Randgräben zu bauen, um den Boden wieder zu vernässen. Strauchgruppen wurden gepflanzt und Asthaufen gelegt, damit Waldeidechsen, Ringelnattern und Hermelin ein Zuhause finden. Seltene Pflanzenarten wie Lungenenzian und verschiedene Orchideen sollenim ehemaligen Turpenland wieder blühen. Den Chilchweg in der Mitte hob man auf und ersetzte ihn durch einen Rundweg. und auch auf dem angelegten Weiher können Naturfreunde die Tiere im Wasser von einer hölzernen Plattform aus beobachten. Man hofft sogar, der seltene Iltis und der vom Aussterben bedrohte Kleine Moorbläuling würden wieder auftauchen.

 

Iltis. (Gotthilf Heinrich von Schubert: Naturgeschichte des Thierreichs)

 

 

Naturreservat Rappentobel

 

Felsgelte im Rappentobel. (Hansruedi Geisser)

 

Vor allem für den Freund seltener Pflanzen lohnt sich ein Abstecher über Chüelenmorgen zu den Meilemer Waldrietern (Zopfenriet, Bergweid, Stollen) oberhalb von Rappentobel und Toggwil. Seit Jahrzehnten organisiert hier das Ehepaar Rohweder aus Neuhaus bei Hinteregg den Rückschnitt des Schilfs, die Pflege der Wollgraswiesen und die wissenschaftliche Betreuung geschützter Pflanzen, zum Beispiel:

 

 

Die Pflanzen sind jedoch gefährdet, weil sie nährstoffarmes Sickerwasser brauchen (keine Düngung oder Drainage!). Andererseits ist es wichtig, dass diese Quellmoore als Streuwiesen genutzt werden, da sie sich sonst rasch bewalden. Am 21. April 2007 weihten die Stiftung Naturreservat Rappentobel sowie die Naturschutzvereine Egg und Meilen die Rohweder Buche beim Badholz zu Ehren von Rose-Marie und Otto Rohweder ein.

     Unterhalb von Toggwil stehen die Überreste der ehemaligen Burg Friedberg von Meilen. Auch diese Festung über dem Dorfbachtobel mit dem beinahe 29 Meter tiefen Sodbrunnen war einst im Besitz der Freiherren von Regensberg. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Wirtschaft zur Burg, eines der schönsten Weinbauernhäuser am Zürichsee; 1676 wurde es im Auftrag von Jakob Wunderli erbaut.

 

Rohweder-Gedenkstein. (www.nhve.ch)

 

 

Von der Hochwacht

Im Bernerland und in der Innerschweiz gab es schon Mitte des 15. Jahrhunderts bzw. ab 1529 die Möglichkeit, in Kriegszeiten durch Hochwachten das Militär zu alarmieren. Im 17. Jahrhundert baute man das erfolgreiche Meldesystem markant aus. Im Gebiet von Zürich entstanden 23 Hochwachten, die einander innert einer Viertelstunde orientieren konnten. Zu den bekanntesten gehörten Hohen Klingen, Schauenberg, Lägern, Irchel, Kyburg, Bachtel, Üetliberg und Mörsburg. Das Warnsystem kam im Deutsch-Französischen Krieg von 1870 zum letzten Mal zum Einsatz.

     Die Hochwacht auf dem Pfannenstiel hatte Sichtverbindung mit dem Schauenberg, mit Orn am Bachtel, dem Schwesternrain bei Hombrechtikon, dem Zimmerberg und der Schnabelburg am Albis. Sie wird folgendermassen beschrieben: "Der Pfannenstihl ist auch ein Hochwacht, die von den andren die Loosung empfacht (empfängt) und wider ustheilt. Das Zeichen oder die Loosung solle dergestalten angestellt werden, nambllchen (nämlich), dass by jeder Hochwacht solle seyn ein Wachthütten zu schirm (Schutz) der wächteren, desglychen eine Byg oder hauffen Holtz, anzuzünden, und ein Feuer ze machen, ein Hauffen Ryss und allerley studen, damit ein Rauch ze machen. Item vier Mörsell, damit zu schiessen. Das Feüer soll die Loosung syn by nacht, der Rauch by Tag, und das schiessen, so näbel wätter syn würde.» (Quelle 5)

     Zur Hochwacht gehörte auch die sogenannte Harzstud, ein etwa 20 Meter hohes, galgenartiges Gerüst, das auf Sprossen bestiegen werden konnte. Bei Alarm hängten die Wächter eine Eisenpfanne mit brennendem Harz oder Pech an den Seitenarm der Stud und schwangen die Pfanne hin und her. Mit dem so genannten Absehen, einer Drehscheibe, konnte man in der Nacht die übrigen Hochwachten bestimmen. Fünf bewaffnete Männer aus Egg standen hier oben Tag und Nacht Wache.

 

Plan der Zürcher Hochwachten. (Grafische Sammlung der Zentralbibliothek Zürich)

 

Zeichnung einer Hochwacht. (Grafische Sammlung der Zentralbibliothek Zürich)

 

 

Ein Aussichtsturm

Um den Bau eines Aussichtsturms auf dem Pfannenstiel war beinahe zwanzig Jahre lang diskutiert worden. Schon 1972 planten die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, die kantonale Baudirektion und das Polizeikommando, oberhalb der Hochwacht auf Meilemer Boden einen Funkturm zu bauen.

     Meilen wollte diesen zu einem Aussichtsturm erweitern, wogegen sich Egg wehrte: Ein solches Bauwerk würde die Silhouette des Pfannenstiels verschandeln. Der Turm wäre immerhin 91 Meter hoch geworden und hätte die Baumkronen um etwa 60 Meter überragt. In der Volksabstimmung vom 22. September 1974 waren 271 Egger für und 768 gegen den Bau des Funkturms (Kanton: 91'865 ja gegen 139'849 Nein).

     Das Baugesuch von 1988 für den Wiederaufbau des zerlegten alten Bachtelturms (1893) oberhalb der Hochwacht auf Egger Boden und ein Kredit von 700 000 Franken wurden hingegen 1990 bewilligt. In Ungarn fand man die notwendigen Facharbeiter, die das Warmnieten noch beherrschten. Die meisten Löcher mussten zuerst nachgebohrt werden, damit die Stahlnieten hundertprozentig gerade sassen. Daraufhin verschraubte man die Stahlteile provisorisch und ersetzte die Schrauben nachher durch Nieten. Diese wurden über einer Esse bis zur Glut erhitzt, so rasch als möglich eingesetzt und sofort mit ohrenbetäubendem Lärm breitgeschlagen: ein schweisstreibendes 1400-faches Prozedere!

     Mit einem Kran setzte man schliesslich die Wendeltreppe mit ihren 170 Stufen baukastenähnlich in den Turm ein. Drei Monate dauerte es, bis der 35 Tonnen schwere Koloss mit seinen acht Plattformen dastand. Die ungarischen Nieter, die Näniker Stahl und Metallbaufirma Wolfermann und die Oetwiler Bauunternehmung Gadola AG hatten ganze Arbeit geleistet. Am 3. Oktober1992 fand die Eröffnung des Bauwerks statt, und im Juni 2000 konnte ein Alpenzeiger auf dem Pfannenstielturm eingeweiht werden. Paul Thalmann aus Uster, pensionierter Elektrofachmann (Jahrgang 1904), hatte ihn mit Hilfe der Hinwiler Graveure Gustav Meier und Max Pally geschaffen.

 

Ansichtskarte des Aussichtsturms Bachtel-Kulm. (Jeannette Studer)

 

Ungarische Handwerker. (Jeannette Studer)

 

[Viele weitere Aussichtstürme und natürlich auch den Pfannenstielturm findet man auf der Webseite turmfinder.ch.]

 

 

Die Okenshöhe

Lorenz Oken (1779—1851) hiess eigentlich Laurentius Okenfuss und war Sohn eines Klein bauern im offenburgischen Bohlsbach. Im Alter von 13 Jahren verlor er seine Mutter, und als er 18-jährig war, starb auch sein Vater Der Bohlsbacher Lehrer sowie die beiden Pfarrer Johann Georg Schwendemann und Anton Kolmann wurden seine Förderer, sodass er das Franziskaner Gymnasium in Offenbach besuchen konnte. Dank eines Stipendiums durfte er 1800 in Freiburg ein Medizinstudium beginnen, und 1804 wurde er zum «doctor medicinae» promoviert. Lorenz Oken setzte seine Studien in Würzburg und Göttingen fort, und durch Fürsprache von Johann Wolfgang von Goethe berief ihn Jena zum ausserordentlichen Professor der Medizin. Von 1827 bis 1832 arbeitete er in München und nahm daraufhin die Berufung an die Universität Zürich als Professor für Naturgeschichte und -philosophie an. Schon nach wenigen Monaten wurde er zum Rektor ernannt. In der Zürcher Zeit schrieb Lorenz Oken sein grösstes Werk, die 13-bändige «Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände» samt dem prächtigen Bilderatlas. 1851 starb er an einer Bauchfellentzündung; sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Sihlfeld. Den grössten Teil seiner Freizeit verbrachte der berühmte Naturwissenschafter auf dem Pfannenstiel. Der Platz bei der Hochwacht war ihm so lieb geworden, dass er davon 18 Aren kaufte. Für 116 Franken ging die Okenshöhe später an die Mittwochgesellschaft Meilen über. Der Findling mit der gediegenen Form, ein gewaltiger Sernifitblock, ist zum Gedenkstein für Lorenz Oken geworden mit der Inschrift:

 

Dem grossen Naturforscher, welcher der Ruhm der Zürcher Hochschule war, dem unabhängigen Manne Lorenz Oken, geboren 2. Aug. 1779 gestorben 11. August 1851 haben an seinem Lieblingsplatze Einwohner von Meilen diese Gedenktafel errichtet.

 

Okenstein. (Hansruedi Geisser)

 

Schmetterlinge. (Lorenz Oken: Atlas zur Allgemeinen Naturgeschichte für alle Stände)

 

 

Der Stuckiweg

Der Stuckiweg gilt als versteckter Anmarschweg des Zürcher Generals Hans Rudolf Werdmüller mit seinen Truppen (10 000 Mann) und «Stucken» (Geschützen) im 1. Villmergerkrieg zur Belagerung von Rapperswil. Katholische Geistliche hatten einige reformierte Familien in Arth nicht geduldet. Als ihnen Verfolgung drohte, flüchteten sie im Herbst 1655 nach Zürich.

     22 Zurückgebliebene wurden eingesperrt 4 davon sogar hingerichtet die Güter der Geflohenen beschlagnahmt, obwohl die Zürcher Regierung unter Bürgermeister Johann Heinrich Waser deren Herausgabe verlangte. Nachdem sich die Schwyzer geweigert hatten, dem Schiedsspruch der Tagsatzung zu folgen, erklärte ihnen Zürich am 6. Januar 1656 den Krieg. Werdmüller wollte einen Stützpunkt gegen Schwyz gewinnen und glaubte, Rapperswil innert 24 Stunden erobern zu können.

     Darauf mussten Werdmüllers Soldaten von der Forch aus einen verborgenen Weg aushauen, damit er möglichst unbemerkt nach Rapperswil gelangen konnte. Doch das von Schwyz besetzte Städtchen wurde tapfer verteidigt. Ausserdem herrschte in Werdmüllers Armee starke Unordnung, sodass sich die Belagerung wochenlang hinzog und auch ein Sturmangriff misslang: 32 Soldaten wurden getötet, 198 verwundet und rund 232 Zentner Pulver verschossen.

     Durch «Verschleitzung der saat und gütheren, der wynräben, verderbung vill thausend fruchtbarer böumen und villen holtzes in den wälderen» entstand ebenfalls grosser Schaden. Der neunwöchige Krieg kostete 414 070 Gulden "ohne den Werth der Eisenen Kuglen, so in Beschiessung Rapperschwyl und sonsten us den Stuken gebrucht worden und dahinden gebliben".

     Der am 7. März in Baden zustande gekommene Frieden war vor allem das Verdienst des Basler Bürgermeisters Wettstein. Von nun an sollte jeder Kanton in seiner Religion unangefochten bleiben. Der Stuckiweg, erstmals 1746 in einer Einsiedler Urkunde und 1770 auf dem Grenzplan zwischen der Obervogtei Stäfa und der Herrschaft Grüningen erwähnt, existiert heute noch: Er führt über die Guldener Höchi und den Stollen zum Buechstutz und über die Lutiker Höchi Richtung Rapperswil.

 

 

Der Pfannenstiel im Volksmund

Der Familienname Pfannenstiel ist so selten wie die gleiche Bezeichnung für Geländeformen oder Dörfer: Hermann Johannes Pfannenstiel (1862—1909) war deutscher Gynäkologe, Leiter des Elisabethinerinnen-Krankenhauses in Breslau und Erfinder des horizontalen Kaiserschnittes (Pfannenstielschnitt). Den Fussballfans mag der Name des 1973 geborenen deutschen Torhüters Lutz Pfannenstiel ein Begriff sein.

     Neben dem Zürcher Pfannenstiel gibt es in der Schweiz nur noch ein langgezogenes Geländestück gleichen Namens: am Fuss des Hohen Kastens bei Brülisau im Kanton Appenzell Innerrhoden.

     Aber auch in Spottversen fand der Begriff in alter Zeit Verwendung: «Und Huusrat hämmer au scho vil: // es Gätzi (Schöpfkelle) und en Pfannestiel!» (1911)  Oder: «S‘alte Chlepfer-Änni, es chochet Boonemues; // es hocket uf em Pfannestiel und rüert‘s mit em Fuess!»  Oder: «Gchüechlet mues si, und wänn de Weibel uf em Pfannestiel hocket!» (Quelle 7)

     Kaum mehr bekannt ist der Name Pfanestilerli für unsere Schwanzmeise. Der berühmte Schweizer Naturforscher und Arzt Konrad Gessner (1516-1565) berichtet in seinem Tierbuch «von dem Schwanzmeisslin oder Pfannenstilein» (1557). Auch von der Bachstelze heisst es: «Sie hört nicht auf zu gnepen (gnappen, wanken, wackeln, wippen) ihr langen Pfannenstihl.» (1737) 

 

Schwanzmeise. (Johann Friedrich Naumann: Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, Bd. 2)

 

 

Quellen

  1. G. P. Jung: Beiträge zur Morphogenese des Zürcher Oberlandes im Spät- und Postglazial, 1969

  2. STA UBZ VIII/135

  3. Albert Heer: Über die Forch, ohne Jahresangabe

  4. Franz Schoch: Geschichte der Gemeinde Küsnacht, 1951

  5. G. J. Peter: Zur Geschichte des zürcherischen Wehrwesens im 17. Jahrhundert, 1907

  6. STA A 235.4

  7. ldiotikon. Schweizerdeutsches Wörterbuch, Bd. Xl, 1903

 

 

Der Autor

Heinrich Müller wirkte von 1963 bis 1982 als Primarlehrer an der Mittelstufe in Hinteregg, war anschliessend während 17 Jahren als Fachlehrer und Schulleiter an der privaten Tagesschule für körperbehinderte Jugendliche (10. und 11. Schuljahr) am Zeltweg tätig und erkrankte dann an Parkinson. Bisher wurden von ihm veröffentlicht: 

  • «Ortsgeschichte von Egg» (1975),

  • «125 Jahre FEG Wetzikon» (1992),

  • «Chilebuech Egg» (2008).